171. Jahresfest am 10. Mai 2015 in Garrel

In Russland fehlen Pastoren

Die Evangelische kirche in Russland leidet nach den Worten der Moskauer Pröpstin Elena Bondarenko unter akutem Pastorenmangel. Deutsche Pastoren gingen vermehrt in Rente, und die Ausbildung am theologischen Seminar für russische Kräfte in St. Petersburg sei vor wenigen Jahren gestoppt worden, sagte Bondarenko in Garrel. Dort war sie zu Gast beim Jahresfest der Hauptgruppe Oldenburg im Gustav-Adolf-Werk.
"Wir haben viele Gemeinden ohne Pastoren. Im Moment ist es fast leichter, eine Stelle zu finanzieren, als einen Pastor zu finden", sagte Bondarenko. Zurzeit gebe es in ganz Russland ungefähr 150 Pastoren der lutherischen Kirche, die meisten russischstämmig, erläuterte die leitende Theologin. Doch in vielen Gemeinden entstünden gerade freie Stellen. "Wir brauchen mobile junge Leute, die in diese Gemeinden ziehen und dort wohnen und arbeiten." Sie fehlten besonders im europäischen Russland."
Um 1920 gab es Bondarenko zufolge ungefähr 80 evangelische Pastoren in Russland, 1937 dagegen keine mehr. "Sie wurden umgebracht. Nur wenige versuchten, auszureisen. Die meisten wurden erschossen." Jetzt würden wieder russische evangelisch-lutherische Theologen in Russland ausgebildet nach einer Zeit, in der sie lange immer aus Deutschland gekommen seien, allerdings derzeit nur im Fernstudium.
Gesellschaftlich ist die Situation der lutherischen Kirche in Russland nach Einschätzung der Pröpstin nicht mehr so schwierig wie früher. So hätten sich die Beziehungen zu Ortsverwaltungen und zur russisch-orthodoxen Kirche verbessert. "Ein großes Problem ist allerdings, unseren Besitz zurückzubekommen", sagte Bondarenko, die auch Frauenbeauftragte der Lutheraner in Russland ist. Aller Besitz der Kirchen sei 1917 nationalisiert worden. Nach der sogenannten Wiedergeburt der Kirchen Anfang der 1990er Jahre habe sich aber vielfach noch nichts getan. So hätten Gemeinden immer noch keine Orte, um sich zu treffen und ihre Projekte zu entwickeln. Bondarenko: "Im Wolga-Gebiet hat es geklappt, dort haben die Gemeinden ihre Kirchen als Besitz zurückbekommen. Deshalb sind sie auch sehr stabil."
Zur Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland zählen den Angaben zufolge 15.000 Gemeindeglieder in 170 registrierten und nicht registrierten Gemeinden und Gemeindegruppen. Sie sind in elf Propsteien zusammengefasst. Das Gustav-Adolf-Werk (GAW) fördert ihre Arbeit. Die Organisation unterstützt im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) protestantische Kirchen in der Diaspora. (Evangelische-Zeitung 17. Mai 2015)
 

"Zum Fest gibt´s nichts Besseres als Garrel"

Gustav-Adolf-Werk Oldenburg feierte sein 171-jähriges Bestehen in der Friedenskirche

Zum 171. Jahresfest des "Gustav-Adolf-Werkes", dem Diasporawerk der Evangelischen Kiche in Deutschland, trafen sich Vertreter aus dem Kirchenkreis "Oldenburger Münsterland" und der Evangelisch-Lutherischen Kirche Russlands. Das "Gustav-Adolf-Werk", in Leipzig gegründet, hat es sich zur Aufgabe gemacht, kleine evangelische Kirchen und Gemeinden in ganz Europa und Lateinamerika zu unterstützen. Aus Anlass des Jahresfestes wird dabei jeweils eine Partnerkirche vorgestellt. Dazu eingeladen war die Pröpstin der zentralen Propstei Moskau und zugleich Frauenbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche Russlands, Dr. Elena Bondarenko. Sie hielt den Festvortrag und zog ein Resümee zum Thema: "Lutheraner in Russland - eine neue alte Kirche". Bei der Begrüßung im Garreler Ratssaal durch Bürgermeister Andreas Bartels dankte sie für die Unterstützung, die ganz besonders den Orten Saratov und Sterlitamak mit jeweils rund 100 gläubigen lutherischen Christen in den Stadt- und Dorfgemeinden gilt. "Ohne diese Unterstützung wäre ein Gemeindeleben in unserer Kirche fast unmöglich. Die Entwicklung der Kirche in unserer Diaspora-Situation wäre sehr schwierig", betonte Dr. Bondarenko. Ihrer Aussage nach seien "die persönlichen Begegnungen mit das Wertvollste und machen die Welt etwas kleiner", sagte sie. "Geholfen werden soll bei den Reparaturen, Renovierungen und Ausbauten der Kirche und Gemeinderäume. Dann können die Gemeinden auch wachsen", betonte Pfarrer Dietrich Schneider, Vorsitzender des GAW Oldenburg. Mittlerweile jeder achte Oldenburger Lutheraner oder Lutheranerin ist heute Russland-Deutsch. "Über 50 000 leben bei uns und das ist das Beste, was Gott uns hat schicken können", freute sich Pfarrer Dr. Oliver Dürr über die Möglichkeit, in der, wie er betonte, "weltoffenen Kommune Garrel" das Jahresfest feiern zu dürfen. "Es kann nicht besser sein als hier", sagte der Aussiedlerbeauftragte der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg.  
(Münsterländische Tageszeitung, 11. Mai 2015)